Potential- und Machbarkeitsstudie zur Nutzungserweiterung von Stauanlagen in Baden-Württemberg für das Echtzeit-Management von Hitze, Dürre und Hochwasser (HDH-BaWü)

Kurzbeschreibung des Projekts und seiner Ziele

Kurzfassung

Hochwasser sind kurzfristige Extremereignisse, Dürren langfristige. Schutz vor Hochwasser erfordert freie Stauräume, Schutz vor Dürre gefüllte. Diese wurden in Baden-Württemberg bislang hauptsächlich für den Hochwasserschutz gebaut und betrieben, zunehmend häufigere und intensivere Hitzewellen und Dürren legen eine Nutzungserweiterung (Mehrfachzielsetzung) nahe. Das Projekt zielt daher auf die Beantwortung der Frage ab, ob Stauanlagen simultan für den Hochwasser-, Hitze- und Dürreschutz genutzt werden können. Dazu werden anhand der Stauanlagen in Baden-Württemberg im Rahmen eines risikobasierten Nutzen-Schaden-Betrachtung bauliche, rechtliche, ökologische, ökonomische, und insbesondere betriebliche Aspekte untersucht. Bezüglich letzterem wird beleuchtet, ob durch die Nutzung von Kurzfrist-Hochwasservorhersagen für eine Echtzeit-Beckensteuerung Nutzungskonflikte zwischen Hochwasser-, Hitze- und Dürreschutz entschärft werden können. Das Projekt, eine Potentialstudie zur Nutzungserweiterung von Stauanlagen für Schutz gegen Hitze, Dürre und Hochwasser (HDH-BaWü), wird in enger Kooperation mit Partnern aus Verwaltung (Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg LUBW), Industrie (Ingenieurgesellschaft WALD+CORBE) und Wissenschaft (Theodor-Rehbock-Wasserbaulaboratorium am KIT) durchgeführt.

 

Hintergrund und eigene Vorarbeiten
In Baden-Württemberg existieren derzeit mehr als 600 Hochwasserrückhaltebecken und Talsperren. Der weitaus größte Anteil davon (91 %) dient primär dem Hochwasserschutz. Dementsprechend befinden sich nur 182 Becken im Dauerstau, die restlichen 504 sind Trockenbecken (LUBW, 2008). Diese Zahlen spiegeln wider, dass in der Vergangenheit ein Zuviel an Wasser als das größte wasserwirtschaftliche Risiko angesehen wurde. Mit den in den letzten Jahren in Mitteleuropa und damit auch in Süddeutschland aufgetretenen Hitzewellen und Dürren (2003, 2018, 2020, Erfurt et al., 2020) rückt allerdings auch ein Zuwenig an Wasser als Risiko zunehmend in den Fokus, insbesondere da mit dem Fortschreiten des Klimawandels mit einer weiter steigenden Anzahl und Intensität solcher Ereignisse gerechnet werden muss (KLIWA, 2012; IPCC,  2018; Samaniego et al., 2018). Hitzewellen und Dürren führen zu enormen Schäden und Problemen unter anderem in der Trinkwasserversorgung, der Wasserkraftnutzung, der Gewässerökologie sowie der Land- und Forstwirtschaft (Blauhut und Stahl, 2018). Damit stellt sich die Frage, ob die vielen bestehenden Stauanlagen in ihrer Nutzung erweitert werden können, um neben ihrer Hochwasser- auch eine Hitze- und Dürreschutzfunktion wahrzunehmen.
In Baden-Württemberg werden erste Schritte in dieser Richtung bereits unternommen. So wird das HRB Beimbach momentan im Zuge einer Sanierung auch für die Niedrigwasseraufhöhung ertüchtigt (RP Stuttgart, 2021). Es besteht dazu aber erheblicher Forschungsbedarf hinsichtlich der Vereinbarkeit der Schutzfunktionen, des erreichbaren Nutzens, und zu erwartender negativer Nebenwirkungen. Eine zentrale Fragestellung ist dabei, ob durch die Nutzung von meteorologischen und hydrologischen Vorhersagen ein optimierter Beckenbetrieb in Echtzeit möglich ist, so dass Nutzungskonflikte entschärft und Risiken aus kurzfristig auftretenden Hochwassern und langfristig auftretenden Hitzewellen und Dürren minimiert werden. Diesen Fragen widmet sich das hier vorgeschlagene Projekt.

 

Ziele des Projekts

Das übergeordnete Ziel des Projekts ist die Beantwortung der Frage, ob Stauanlagen auch für den Hitze- und Dürreschutz genutzt werden können, ohne ihre Hochwasserschutzfunktion stark zu beeinträchtigen. Hitze- und Dürreschutz umfasst dabei Trink- und Energiewasserbereitstellung, ökologische Niedrigwassererhöhung, Wasserrückhalt für die direkte land- oder forstwirtschaftliche Nutzung (lokale Bewässerung) und für die Grundwasseranreicherung (lokale Versickerung).
Die Frage soll exemplarisch am Beispiel der Stauanlagen in Baden-Württemberg beantwortet werden und umfasst folgende Teilziele und -fragen:

  • Welches Nutzenpotential besteht bzgl. Hitze/Dürre, d.h. wie groß ist der mit den vorhandenen Stauvolumina erreichbare Nutzen bei ausschließlich Hitze-/Dürre-optimiertem Anlagenbewirtschaftung, ohne Berücksichtigung weiterer Kriterien wie Ökologie oder Wirtschaftlichkeit?
  • Welchen Nutzen und Schaden erzeugt die Anlagenbewirtschaftung gegenwärtig, d.h. rein hochwasseroptimiert?
  • Welchen Nutzen und Schaden erzeugt eine Hitze-/Dürre-optimierte Anlagenbewirtschaftung, insbesondere hinsichtlich einer Verschlechterung der Hochwasserschutzfunktion, Verminderung ökologischer Gewässerdurchgängigkeit und Beeinträchtigung landwirtschaftlicher Flächen bei längerem/häufigeren Einstau?
  • Gibt es eine Kombination aus Hochwasser-, Hitze- und Dürreschutzbetrieb, der i) praktikabel ist und ii) einen höheren Nettonutzen erzeugt als die Einzelnutzungen? Welche baulichen und organisatorischen Maßnahmen sind dafür notwendig?
  • Ist für den Hitze-/Dürreschutz eine saisonübergreifende Bewirtschaftungsstrategie notwendig, oder ist eine saisonale oder noch kürzere Strategie ausreichend?
  • Können hydrometeorologische Kurzfristvorhersagen (1 bis 2 Tage) die kombinierte Nutzung mit ausreichender Sicherheit verbessern? Dies betrifft insbesondere die Frage, ob ein für den Hitze-/Dürreschutz eingestautes Becken im Vorfeld eines Hochwasserereignisses rechtzeitig vorentlastet werden kann oder nicht.

Abb.: Dürrebedingungen im Sommer 2022 (Bodenfeuchtigkeit; Quelle: Dürremonitor/UFZ).
 

Referenzen:
  • Blauhut, V., & Stahl, K. (2018). Risikomanagement von Dürren in Deutschland: von der Messung von Auswirkungen zur Modellierung. Forum Hydrol. und Wasserbewirts, 28, 203-213.
  • Erfurt, M., Skiadaresis, G., Tijdeman, E., Blauhut, V., Bauhus, J., Glaser, R., et al. (2020). A multidisciplinary drought catalogue for southwestern Germany dating back to 1801. Natural Hazards and Earth System Sciences, 20(11), 2979-2995.
  • KLIWA. (2012). Die Entwicklung von trockenen Großwetterlagen mit Auswirkungen auf den süddeutschen Raum. KLIWA-Berichte, 18.
  • LUBW. (2008). Hochwasserrückhaltebecken und Talsperren: Bauwerkstypen und Übersicht. Oberirdische Gewässer, Gewässerökologie, 111. Broschure.
  • Masson-Delmotte, V., Zhai, P., Pörtner, H. O., Roberts, D., Skea, J., Shukla, P. R., et al. (2018). Global warming of 1.5°C. Retrieved from
  • Samaniego, L., Thober, S., Kumar, R., Wanders, N., Rakovec, O., Pan, M., et al. (2018). Anthropogenic warming exacerbates European soil moisture droughts. Nature Climate Change, 8(5), 421-426.