Arbeitsgruppe Asset Estimation
Die Arbeitsgruppe Asset Estimation im CEDIM Projekt Risikokarte Deutschland entwickelt Methoden zur Erzeugung übergreifend benötigter Informationen zu Bestand, Verteilung und Bewertung von exponierten Elementen (Personen und Sachwerte), die potentiell verschiedenen Gefahren ausgesetzt sind. Als Dienstleister stellt sie diese Angaben zur Verfügung und fördert durch das von ihr entwickelte Glossar die interdisziplinäre Kommunikation zwischen den Gruppen.
Projektbeschreibung
Um Risiken aus verschiedenen Gefahren (Naturgefahren und mensch-gemachte Gefahren) vergleichen zu können, ist eine konsistente Vorgehensweise notwendig. Risiko umfasst dabei drei Aspekte: die Gefährdung, die exponierten Werte/Personen und deren Schadensanfälligkeit (Vulnerabilität). Während Eingangsdaten und Methoden der Gefährdungs- und Vulnerabilitätsanalysen für die verschiedenen Gefahren variieren, muss für einen konsistenten Vergleich von Risiken eine einheitliche Datenbasis über die potenziell exponierten Werte verwendet werden. Diese übergreifend benötigten Informationen zu erarbeiten, ist die Aufgabe der Asset Estimation AG. Neben der Wertanalyse umfasst dies einen vereinheitlichenden Umgang mit Fachbegriffen.
Hauptziele der Arbeitsgruppe im Einzelnen:
- Erstellung eines Glossars mit Fachbegriffen aus den Risikowissenschaften
- Erstellung eines einheitlichen und räumlich verteilten Wertekatasters für verschiedene, Wohngebäude- und Infrastrukturbestände in ganz Deutschland.
Das zweisprachige Glossar (deutsch/englisch) konnte nach externer Begutachtung (unter anderem durch die UNU-EHS, das BBK und das DKKV) auf der CEDIM-Website veröffentlicht werden (https://www.cedim.de/864.php). Das Glossar wird auch vom BMBF-Forschungsprogramm Risikomanagement extremer Hochwasserereignisse (RIMAX, https://www.rimax-hochwasser.de/) empfohlen und wurde von der Umweltallianz Bulgarien für die Katastrophenvorsorge ins Bulgarische übersetzt.
Bei der Erstellung des Wertekatasters stand zunächst das private Wohnvermögen in Deutschland im Vordergrund, welches zusammen mit den umfangreichen methodischen Vorarbeiten (unter anderem disaggregierte räumliche Verteilung der Bevölkerung innerhalb der Gemeinden) in mehreren Publikationen der Fachwelt und Öffentlichkeit vorgestellt wurde:
- Verteilung des Wohnvermögens auf Gemeindeebene (Kleist et al., 2004; Kleist et al., 2006, https://www.copernicus.org/EGU/nhess/6/nhess-6-541.pdf)
- räumliche Disaggregierung des Wohnvermögens innerhalb von Gemeinden mit Hilfe von Landnutzungsinformationen (Thieken et al., 2006, https://www.copernicus.org/EGU/nhess/6/nhess-6-167.pdf)
Zurzeit werden die Vermögenswerte im industriellen, gewerblichen und Dienstleistungssektor mit folgenden Ansätzen ermittelt.
1. Wertermittlung mit dem Verhältnisansatz
Da der gewerblich-industrielle Sektor bedingt durch die vielfältigen betrieblichen Tätigkeiten sehr heterogen ist, besteht die Herausforderung darin ein Verfahren zu entwickeln, das die Vermögenswerte nicht nur räumlich, sondern auch nach Betriebsgröße und Branche differenziert verteilt.
Derzeit werden zur Abschätzung von Industriewerten hauptsächlich makroökonomische “top-down” Ansätze verwendet (Penning-Rowsell, 2005; Meyer, 2005; Hofstede and Hamann, 2000). Diese Methoden zur Industriewertabschätzung kommen mit relativ wenigen Daten aus (Statistiken und Erhebungsdaten) und ermöglichen so eine großräumige und schnelle Ermittlung von Industriewerten.
Beim Verhältnisansatz wird als Schätzer für die Vermögenswerte das Anlagevermögen (brutto und netto), wie es vom Statistischen Bundesamt ausgewiesen wird, herangezogen. Unter der Annahme, dass die Zahl der Beschäftigten und das Anlagevermögen positiv miteinander korreliert sind und unter Zuhilfenahme von Geomarketingdaten konnten in einem ersten Schritt die Vermögenswerte nach 3 Betriebsgrößen unterteilt auf 60 Branchen und die 13490 Gemeinden Deutschlands verteilt werden. In einem zweiten Schritt wird eine noch kleinräumigere Verteilung innerhalb der Gemeinden angestrebt.
2. Referenzanlagenansatz
Die makroökonomischen Methoden sind für eine räumlich detaillierte Bestimmung von Industriewerten (unterhalb der Gemeindeebene) oft zu ungenau, da sie eine einheitliche geographische Verteilung der Werte annehmen und auch Unterschiede zwischen verschiedenen industriellen Anlagen nicht berücksichtigen. Um diese Heterogenität industrieller Anlagen stärker zu betrachten und in die Werteermittlung mit einzubeziehen, wurde ein „bottom up“ Ansatz, der Referenzanlagenansatz, entwickelt (Merz et al., 2007). Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher industrieller Anlagen ist es jedoch nicht möglich, den Wert und die Vulnerabilität jeder einzelnen Anlage eines jeden Sektors zu bestimmen.
Zur Lösung dieses Problems werden im Referenzanlagenansatz Anlagenklassen gebildet, denen die einzelnen Anlagen jeweils zugeordnet werden können. Jede dieser Anlagenklassen wird durch eine typische “Referenzanlage” repräsentiert (vgl. Abb.1). Die Bildung und Definition einer solchen Referenzanlage erfolgt nach folgenden Kriterien:
- Alle Anlagen, die der gleichen Referenzanlage zugeordnet werden, haben einen ähnlichen monetären Wert;
- Alle Anlagen, die der gleichen Referenzanlage zugeordnet werden, zeigen eine ähnliche Vulnerabilität gegenüber Hochwasser, Sturm und Erdbeben.
Die Eigenschaften der Referenzanlagen stellen also repräsentative Werte für Anlagen einer Klasse dar.
In den nächsten Projektschritten werden Referenzanlagen nach den oben beschriebenen Kriterien definiert. Der monetäre Wert dieser Referenzanlagen wird durch Unternehmensbefragungen, Interviews mit Experten unterschiedlicher Branchen und Verbänden und aus Literaturdaten ermittelt. Nach der Klassifizierung der Referenzanlagen sollen dann industrielle Anlagen eines Testgebietes den Referenzanlagen zugeordnet werden, um so den Industriewert dieses Gebietes zu ermitteln.
Zu einer abschließenden Validierung der beiden vorgestellten Methoden werden die für das Testgebiet ermittelten Industriewerte miteinander verglichen.
Literatur
- Hofstede J, Hamann M. Appraisal for areas endangered by storm surges in Schleswig-Holstein. Mitteilungen des Franzius-Instituts für Wasserbau und Küsteningenieurwesen, 2000.
- Merz, M; Geldermann, J.; Bertsch, V.; Rentz, O. (2007) Assessment of Industrial Values at Risk, submitted to the 4th International ISCRAM Conference, Delft May 2007.
- Meyer, V. (2005) Methoden der Sturmflut-Schadenspotentialanalyse an der deutschen Nordseeküste, UFZ-Umweltforschungszentrum Leipzig-Halle GmbH in der Helmholtz-Gemeinsschaft.
-
Penning-Rowsell, E., Johnson, C., Tunstall, S., Tapsell, S., Morris, J., Chatterton, J. and Green, C. (2005) The Benefits of Flood and Coastal Risk Management: A Manual of Assessment Techniques, London, Middlesex University Press.
Publikationen
Geldermann, J., M. Merz, V. Bertsch, M. Hiete, O. Rentz, I. Seifert, A.H. Thieken, D. Borst, U. Werner | The reference installation approach for the estimation of industrial assets at risk. | European Journal of Industrial Engineering 2(1): 73-93. (2008) |
Thieken, A. | Vulnerabilitäts- und Expositionskarten: Bevölkerungsdichte. | Teil 1 der Serie Risikokartierung. Geographie und Schule 165: 50-51. (2007) |
Merz, M., Bertsch, V., Rentz, O. and Geldermann, J. (2007) | Assessment of Industrial Asset Values at Risk | Proceedings of ISCRAM 2007, Brussels, VUBPRESS, 235-244 |
Merz, M., Geldermann, J., Bertsch, V., Läpke, D. and Rentz, O. (2007) | Decision Support For Crisis Management by Large-Scale Exercises | Proceedings of the 14th Annual Conference of the International Emergency Management Society (TIEMS), 147-157 |
KLEIST, L., A.H. THIEKEN, P. KÖHLER, M. MÜLLER, I. SEIFERT, D. BORST, U. WERNER (2006) | Estimation of the regional stock of residential buildings as a basis for comparative risk assessment for Germany | Natural Hazards and Earth System Sciences 6(4): 541-552 | » Link |
THIEKEN, A.H., M. MÜLLER, L. KLEIST, I. SEIFERT, D. BORST, U. WERNER (2006) | Regionalisation of asset values for risk analyses | Natural Hazards and Earth System Sciences 6(2): 167-178 | » Link |
KLEIST, L., A.H. THIEKEN, P. KÖHLER, M. MÜLLER, I. SEIFERT, U. WERNER (2004) | Estimation of building values as a basis for a comparative risk assessment | In: Malzahn, D. & T. Plapp (Hrsg.): Disasters and Society - From Hazard Assessment to Risk Reduction. Logos-Verlag, Berlin, S. 115 - 122. |
Links
BMBF-Forschungsprogramm Risikomanagement extremer Hochwasserereignisse (RIMAX):
https://www.rimax-hochwasser.de/