Überwachung von Brückenbewegungen im laufenden Betrieb durch Radar-Sensorik und Maschinellen Lernverfahren

Forschende erarbeiten im ZEBBRA-Verbundvorhaben non-invasive, mobile und innovative Mess- und Auswertemethoden, um den Brückenzustand während des laufenden Betriebs zu überwachen, erfassen und bewerten. Als Basis kommen bodengestützte und hochpräzise Radarmesssysteme zum Einsatz. Diese Systeme messen die Brückenschwingungen, die durch Fahrzeugüberfahrten hervorgerufenen werden. Die aufgenommenen Radardaten werden mit speziellen Schritten prozessiert und daraufhin in Kombination mit maschinellen Lernverfahren ausgewertet, um letztendlich den Brückenzustand zu bewerten.

Um Brückenbewegungen mit bodenbasiertem Radar berührungslos zu erfassen, wird ein entsprechender Messaufbau mit einer spezifischen Datenauswertung benötigt. So müssen durch die berührungslose Messung die jeweiligen äußeren Gegebenheiten wie atmosphärischen Bedingungen oder Lage der Brücke im Straßennetzwerk berücksichtigt werden. Prinzipiell lässt sich mit einem bodenbasierten Radar die Brückenbewegung ohne Anbringung jeglicher reflektierenden Objekte an der Brücke überwachen. Zum Beispiel schlagen Michel & Keller (2021) ein eigens entwickeltes Messkonzept vor: Dieses Messkonzept nutzt die flache Unterseite einer Brücke für eine sekundäre Reflexion des Radarsignals. Nach der Datenaufnahme werde die Radarsignale ausgewertet und äußere Einflüsse auf die Messungen herausgerechnet. Michel & Keller (2021) entfernen dieser Einflüsse und untersuchen deren Auswirkungen auf die Genauigkeit der erhaltenen Daten. Zusätzliche Prozessierungsschritte eliminieren z. B. Störsignale, die durch andere Objekte im Radarsignal hervorgerufen werden (siehe Abbildung 1). Weiter werden auch Laufzeitverzögerungen durch Atmosphärenänderungen korrigiert. Abhängig vom jeweiligen, eingangs erwähnten, Messaufbau muss abschließend eine Projektion durchgeführt werden, bei der die Bewegungen gemessen in Blickrichtung des Radars in ein übergeordnetes Koordinatensystem transformiert werden. Es wird außerdem für alle Prozessierungsschritte eine Unsicherheitsangabe gemacht, um die Genauigkeit der Ergebnisse bestmöglich abzuschätzen und mit der konventionellen Sensorik zu vergleichen.


Abbildung 1. Vertikale Verschiebung einer Brücke generiert aus einem Radarsignal mit LKW- und Autoüberfahrten sowie enthaltener Störung (© Chris Michel, KIT/IPF).

Als Ergebnis der Rohradardatenprozessierung ergibt sich die vertikale Verschiebung der Brücke. Abbildung 2 zeigt zum Beispiel drei Brückenüberfahrten, als Events bezeichnet, und die dazugehörige vertikale Verschiebung für vier Messpunkte (Range Bins) entlang der Brücke. Die Bilder zu den Fahrzeugen wurden aus Video-Aufnahmen mit einem unbemannten Luftfahrzeug (UAV) extrahiert. In dem dargestellten Ausschnitt überquert z.B. ein LKW die Brücke, gefolgt von zwei PKWs. In den Messsignalen kann anhand der maximalen Verschiebung der Range Bins auf die Fahrseite der Fahrzeuge geschlossen werden. Die Eventzeiträume sind in der Zeitreihendarstellung farblich hervorgehoben. Nachdem der LKW die Brücke verlassen hat, oszilliert sie in ihren Grundfrequenzen weiter. Mit dieser Oszillation überlagern sich die Durchbiegungen der nachfolgenden PKWs.


Abbildung 2. entnommen aus Arnold & Keller (2020).

Um auf die gewünschte Zustandsschätzung zu kommen, muss zunächst die Einwirkung auf die Brücke abgeschätzt werden. Diese Abschätzung bedeutet, dass eine Klassifikation der Fahrzeugtypen auf der Brücke anhand der Radardaten notwendig ist. Hierbei sei darauf verwiesen, dass die UAV-Bilddaten nur für die Referenzgewinnung dienen. Um die Fahrzeuge zu klassifizieren ist es daher wichtig, die Zeitausschnitte aus dem Radarsignal automatisch zu erkennen, während derer sich ein Fahrzeug auf der Brücke befindet (Eventdetektion). Arnold & Keller (2020) sowie Arnold et al. (2021) untersuchen in zwei Studien die zunächst merkmalsbasierte und anschließend rein datengetriebene Klassifikation zwischen Event und Nicht-Event sowie verschiedenen Fahrzeugklassen. Abbildung 3 zeigt z.B. den Vergleich der beiden Verfahren zur Klassifikation zwischen Event und Nicht-Event. Im oberen Ausschnitt sind die Ergebnisse des rein datengetriebenen Ansatzes abgebildet. Eingesetzt wurde hierfür ein sog. Convolutional Neural Network (CNN).  Im unteren Teil der Abbildung sind der Ergebnisse der Eventdetektion für einen merkmalbasierten Random Forest (RF) dargestellt. Der farblich gekennzeichnete Bereich entspricht dem Ausschnitt aus Abbildung 2. Es zeigt sich, dass beide Verfahren Events in Brückenverschiebungsdaten erkennen können. Während der RF die Ausschwingvorgänge und Events nicht ausreichend gut unterscheiden kann, erkennt das CNN die Events erfolgreich. Da Start- und Endzeitpunkt eines Events gut erkannt werden, eignen sich die Ergebnisse gut für eine Klassifikation der Fahrzeugtypen. Basierend auf der Fahrzeugbestimmung kann abgeschätzt werden, welche Masse die Brückenschwingung angeregt hat. Somit kann analysiert werden, ob die Brückenbewegung für die spezifische Anregung in einem Normalbereich liegt oder aufgrund von Schäden abweicht. Dieser Forschungsaspekt wird aktuell im ZEBBRA-Verbundvorhaben interdisziplinär betrachtet.

Eine Zusammenfassung zu den Studien und Ergebnissen des ZEBBRA-Verbundvorhabens findet sich u.a. in Keller et al. (2020) und auf der ZEBBRA-Seite des Instituts für Photogrammetrie und Fernerkundung.

Abbildung 3. entnommen aus Arnold et al. (2021).

Referenzen

 

Zugehöriges Institut am KIT: Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung (IPF)

Autorin/Autoren: Dr. Sina Keller, Chris Michel, Matthias Arnold (Nov. 2021)