Warum bei Katastrophen die Größe zählt und was der Medaillenspiegel der Olympischen Spiele 2024 in Paris damit zu tun hat

Die Größenordnung spielt bei Katastrophenrisikomodellen, aber auch im Medaillenspiegel eine Rolle. Im "neuen" Medaillenspiegel liegt Deutschland auf Platz 7 statt 9.

Immer wieder wird das CEDIM Task Force Team nach großen Katastrophen weltweit aktiv, um diese unmittelbar nach dem Eintreten zu bewerten, die Folgen abzuschätzen, die zeitliche Entwicklung nachzuverfolgen und die wichtigsten Faktoren zu identifizieren, die für die Auswirkungen maßgeblich sind. Eine besondere Rolle spielen dabei unsere verschiedenen Schadenmodelle, die wir in den vergangenen Jahren für unterschiedliche Katastrophentypen entwickelt haben, um die Kosten zu ermitteln und damit die Schäden genauer abschätzen zu können. Wir haben 2009 intern damit begonnen und 2011 offiziell unsere Forensischen Katastrophenanalysen (Forensic Disaster Analysis, FDA) gestartet.

Einer der wichtigsten Indikatoren für eine Katastrophe ist die Größe einer bestimmten Gefährdung sowie die Exposition und die Anzahl der betroffenen Menschen und die Schadenanfälligkeit der betroffenen Exposition. Die Größe eines Ereignisses bestimmt häufig das Schadensausmaß, sei es die Stärke eines Erdbebens in einer bestimmten Tiefe, die Wellenhöhe eines Tsunamis (z.B. Tohoku 2011), die Windgeschwindigkeit eines Hurrikans (z.B. Irma 2017), die Wassertiefe bzw. -geschwindigkeit bei Überschwemmungen wie beispielsweise beim Ahrtal-Hochwasser 2021 oder auch die Anzahl der Todesfälle bzw. der täglichen Infektionsfälle im Rahmen der COVID-19-Pandemie. Tritt jedoch ein Großschadensereignisses an einem Ort auf, an dem es nur wenige Menschen oder Infrastrukturen befinden, sind die Auswirkungen relativ gering. Die Erfassung und Bewertung des Schadengröße abhängig von der Region ist daher entscheidend für die Planung, Bewältigung und Wiederherstellung nach einem Ereignis.

Natürlich gibt es nicht jedes Jahr große Katastrophen wie die Olympischen Spiele!

Bei den Olympischen Spielen werden für jede Disziplin Gold-, Silber- und Bronzemedaillen vergeben und die Ergebnisse werden weltweit in den Medien veröffentlicht. Es gibt viele verschiedene Arten, wie die Länder die Medaillen im Medaillenspiegel zählen (um sie zu standardisieren). Am häufigsten werden die Goldmedaillen und/oder die Anzahl der Medaillen an erster Stelle gezählt (vgl. Abb. 1). Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Medaillen durch die Anzahl der Athleten oder die Bevölkerungszahl des Landes zu teilen. Es gibt jedoch einen wichtigen Parameter, der nur selten gemessen wird: Die Anzahl der einzelnen Medaillen!

Abb. 1: Die übliche Art und Weise der Erstellung des Medaillenspiegels bei den Olympischen Spielen (nach Angaben des IOC).

Als Australier sind wir oft am stärksten in den Schwimmwettbewerben, die manchmal als Einzel- oder 4er-Staffel ausgetragen werden. Wie wäre es also, wenn wir die Anzahl der Medaillengewinner nehmen und eine Goldmedaille als 4 Goldmedaillen für eine Staffel zählen (oder, wenn zusätzliche Athleten in den Vorläufen eingesetzt werden, einfach die Anzahl der Athleten, die eine Medaille erhalten)? Beim Basketball wird eine Goldmedaille an die gesamte Mannschaft vergeben, und würde somit also als 12 zählen.

Gemessen an den Goldmedaillen liegt Deutschland weltweit auf Platz 10, im Medaillenspiegel auf der offiziellen Olympia-Webseite auf Platz 9. Hier würde jedoch die „bereinigte“ Top-10-Medaillenzahl nach „Anzahl“ (wenn die Anzahl der Medaillen pro Athlet berücksichtigt werden würde) Deutschland auf Platz 7 führen.

Abb. 2: Der „bereinigte“ olympische Medaillenspiegel nach „Anzahl der einzelnen Medaillen“; d.h. Anzahl der Athleten mit Medaillen (siehe auch zugehöriger Datensatz).

Im „bereinigten“ olympischen Medaillenspiegel steigt Spanien, das bei den Spielen im Fußball der Männer und im Wasserball der Frauen überaus erfolgreich war, von 5 Goldmedaillen (wenn eine Mannschaft - wie üblich - als eine gezählt wird) auf 40 Goldmedaillen in der „bereinigten“ Form und verbessert sich in der Rangfolge der Gold-, Silber- und Bronzemedaillen von Platz 15 auf Platz 5. Indien klettert im Medaillenspiegel von Platz 73 auf Platz 20 (Hockey Bronze) und Frankreich springt dank einer heroischen Mannschaftsleistung auf Platz 2 im Medaillenspiegel. Am Ende des Tages ist natürlich die Anzahl der beeindruckenden Olympioniken und Paralympioniken, die in Paris 2024 teilnahmen, der beste Maßstab für eine großartige Olympiade, und alle sollten stolz sein, egal ob sie nun den ersten oder den letzten Platz belegen.

Obwohl die Medien und die offizielle Website die Medaillenausbeute der Veranstaltung immer an der Anzahl der Gold-, Silber- und Bronzemedaillen messen, ist der Teamaspekt und die Größe der Mannschaft wahrscheinlich ein wichtiger Maßstab für die Medaillenausbeute bei den Olympischen Spielen – wie auch bei der Analyse des Katastrophenrisikos. In ähnlicher Weise werden wir im Falle eines Großschadensereignisses als Team aus verschiedenen Disziplinen und mit unterschiedlichem Fachwissen dazu beitragen, unsere Modelle zu trainieren (Daten sammeln, normalisieren und neue Metriken entwickeln) und rund um die Uhr an einer zeitnahen Analyse zu arbeiten.

Zugehöriges Institut am KIT: Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung (IPF) und CEDIM Spin-Off Risklayer
Autor: Prof. James Daniell (Aug. 2024)